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Sollen und Können

In der Randnotiz mit Bild war von Lebensgefahr zu lesen, in die sich Radfahrer - insbesondere radfahrende Kinder - begeben, wenn sie zu zweit auf einem Fahrrad fahren. Der Appell, dies nicht zu tun, ist berechtigt und sogar notwendig. Dennoch muß die Frage erlaubt sein, ob Kinder dieser Forderung überhaupt nachkommen können.

Scließlich ist die einzuhaltende Regel für Kinder höchst undurchsichtig: Dürfen doch "Erwachsene" (gleichbedeutend mit "älter als 14 Jahre") Kinder (jünger als sieben Jahre) auf einem Kindersitz mitnehmen, und gilt doch das Transportieren anderer Personen aus Gefälligkeit auch beim Autofahren als noble Geste. Ein eindeutiges Vorbild ist also nicht gegeben. Außerdem übt das Fahren zu zweit auch einen gewissen Reiz aus, im Sinne der Erprobung des eigenen Könnens. Der heutzutage zur Verfügung stehende öffentliche Raum bietet offenbar keine Möglichkeit mehr, solches Verhalten zu erproben, das - zwar verboten - motorische Fähigkeiten trainiert und dem Bedürfnis nach spielerischer Handlung von Kindern angemessen ist.

Ein "Sollen" setzt, moralphilosophisch gesprochen, ein "Können" voraus. So, wie es unsinnig ist, von Menschen zu verlangen zu fliegen, ist es mindestens zweifelhaft, Kindern ein bestimmtes Verhalten bloß vorzuschreiben, sei es auch noch so sinnvoll.

Unredlich ist es allerdings, Vorschriften durch Text und Bild an Ereignisse zu knüpfen, die damit nichts zu tun haben. Daß ein radfahrendes Kind an der Kreuzung Hohe Brücke - Gebrüder-Welger-Straße getötet wurde ist eine traurige Tatsache, macht aber keineswegs ein Fahren zu zweit auf derselben Straße besonders gefährlich. Das Argument liegt ungefähr auf dem Niveau von "Iß Deinen Teller leer, sonst kommt der böse Mann." Es mag pragmatisch nützlich sein, derartiges zu sagen, kindgerecht oder für Einsicht sorgend ist es sicher nicht.

Die gestiegenen Gefahren im Straßenverkehr werden zur Zeit nicht durch ein besonders verkehrsgerechtes Verhalten der Kindern kompensiert, sondern schlicht dadurch, dass man Kinder aus dem öffentlichen Raum zu gunsten des Verkehrs verbannt und ihnen Vorschriften macht, zu deren Einhaltung sie nicht fähig sind. Sinnvoller wäre es, Freiräume für Kinder zu schaffen, in denen es ein Fehlverhalten nicht gibt. Stellt man sich die Frage, ob am Umgang einer Gesellschaft mit ihren Kindern Rückschlüsse auf ihren Zustand abzulesen sind, ist man versucht auszurufen: "Hoffentlich nicht!"


Stefan Brix
sx@brix.de

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