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Thema verfehlt oder die Sache selbst vergessen?

Erstaunliche Diskussionen gibt es in Wolfenbüttel: Das Thema "Lange Straße" beschäftigt Parteien, Eltern, vielleicht sogar die Öffentlichkeit. Leider konnte ich keinen der Diskutierenden dabei ertappen, dass er tatsächlich was zum Thema, nämlich der Verbesserung der Sicherheit von Kindern beim Begehen der Langen Straße gesagt hätte. - "Polit-Klimbim" beherrschte die Tagesordnung. Über wirkliche Maßnahmen zur Sache wurde gar nicht diskutiert. Eine einfache Forderung stand ja ohnehin schon vor aller Untersuchung der Situation im Raum. Abweichend davon wage ich es, gegen diese Forderung von Eltern, unheiligen politischen Allianzen und Kinderärzten aufzubegehren und mich gegen eine Ampel auszusprechen.

Die Begründungen dafür sind einfach, aber vielleicht nicht offensichtlich - logisch, aber sicher nicht bequem: Ampeln erhöhen die Sicherheit nämlich bei Weitem nicht so sehr wie man vielleicht denkt, da Fußgängerströme viel verteilter verlaufen, als dass alle Fußgänger an einer Ampel vorbeikämen. Da aber aus Kostengründen Ampeln nicht so dicht gesät sind, werden viele Fußgänger abseits der Ampel ohne Querungshilfe über die Straße gehen. Wichtiger noch ist allerdings der Umstand, dass gerade die (beschönigend so genannten) "Fußgänger"ampeln in der Normalsituation komischerweise immer für Autos grün sind und die Fußgänger zu einer Unterbrechung ihrer Wege und einer Aktion (Knopfdrücken) nötigen. Dagegen sind Fußgängerüberwege (Zebrastreifen) die einzigen Einrichtungen im Straßenverkehr, die Fußgängern wirklich einen Vorrang einräumen.

Wir reden hier über Fußgänger, von denen eine Mehrzahl Kinder sind (weil Erwachsenen lieber mit dem Auto fahren?). Kindern (unter 14 Jahren) wird aber die Strafmündigkeit abgesprochen. Dies ist richtig, weil nur derjenige im Sinne einer Bestrafung schuldig sein kann, der anders hätte handeln können, als er es in einer bestimmten Situation tat. Das "Sollen" setzt also das "Können" voraus, oder anders gesagt, würde jeder einsehen, dass es unsinnig ist, zu verlangen, dass ein Mensch etwas macht, das er prinzipiell nicht kann (z.B. fliegen). Vor diesem Hintergrund stimmt es traurig, dass dann gerade von Kindern verlangt wird, dass sie (verkehrsgerecht erzogen) an roten Ampeln stehenbleiben und dort auch 30 oder gar 45 Sekunden verweilen. Genau das können sie aber nicht immer! Kinder tun es zwar häufig, aber verlangen kann man es nicht. So wird die Ampel, statt Kinder zu schützen, ihnen eindeutig "Schuld" zuschreiben, wenn sie bei Rotlicht gehen. Auch ist derjenige schuldig, der zur Vermeidung der Ampel neben ihr die Straße überquert. So einfach scheint es, ist aber nicht.

Es ist vor allem schlimmer: Im allgemeinen schützen Gesetze potentielle Opfer vor Gefahren, in dem versucht wird, die Gefahr abzuwenden. Mord und Totschlag sind mit Strafe belegt, anstatt vorzuschreiben, dass alle Menschen zum Abwenden einer solchen Tat (sicher unbequeme) Rüstungen tragen müssen. Anders im Straßenverkehr: Fußgänger (also auch Kinder) werden in Rüstungen in Form von Ampeln gezwängt, die sie schützen sollen, aber vor allem dem Täter ein ungebremstes Handeln ermöglichen. - Ungebremst (außer bei Rotlicht) fährt nämlich der Kraftverkehr an den Kindern vorbei, die an der Ampel warten ("ist ja schließlich grün!"). Nicht der Verursacher der Betriebsgefahr von Kraftfahrzeugen wird gezwungen, diese zu verringern, sondern die Gefährdeten werden gezwungen, die Gefahr zu akzeptieren und sich ihr zu entziehen. Diese Umkehr der Sicherungslast halte ich für unerträglich und symptomatisch im Umgang einer Gesellschaft mit ihren Kindern: Statt den Täter an der Tat zu hindern, wird das potentielle Opfer aus dem Verkehr gezogen. - Sozusagen von Ampeln in zweifelhafte Schutzhaft genommen.

Warum nicht umgekehrt? - Warum nicht statt zwei Zebrastreifen derer drei oder vier? - Warum keine Beruhigung des fließenden Verkehrs? - Warum keinen (wenigstens zum Teil) kindgerechten Verkehr? - Ja, warum nur ... Vielleicht, weil Kinder, wie die jüngsten Beispiele zeigen, in der Parteipolitk und im Handeln der Erwachsenen eigentlich gar nicht so wichtig sind ...


Stefan Brix
sx@brix.de

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